„Ohne EU würde unser Gesundheitswesen so nicht mehr funktionieren.“

Claudia - Team s+v
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31 July 2025 Temps de lecture: 3 minutes
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Frauen für die Bilateralen_Dr. med. Yvonne Gilli

Warum die Schweiz in Gesundheitsfragen auf die EU angewiesen ist – ein Interview mit Dr. med. Yvonne Gilli 

Ob Medikamente, medizinisches Fachpersonal oder die Versorgung im Spital: Das Schweizer Gesundheitswesen ist eng mit der EU verflochten – und auf diese Zusammenarbeit angewiesen. Im Interview erklärt Dr. med. Yvonne Gilli, Fachärztin für Allg. Innere Medizin und Präsidentin der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH, warum der freie Personenverkehr für unsere Spitäler existenziell ist, wo Europa in unserer Gesundheitsversorgung tagtäglich mitwirkt und wieso wir als Patientinnen und Patienten mit deutlich längeren Wartezeiten rechnen müssten.

Frau Gilli, was bedeutet Ihnen der bilaterale Weg persönlich?  

Die Schweiz ist ein Binnenland im Herzen Europas, ohne international bedeutsame natürliche Ressourcen. Unser Erfolg basiert auf einer politisch stabilen Demokratie, welche Wertschöpfung durch produktive und innovative Volkswirtschaft erzielt. Aus meiner Sicht ist das nur durch eine enge internationale Vernetzung möglich – und Europa ist dabei unser wichtigster und sicherster Partner.

In welchen Bereichen des Gesundheitswesens profitieren Schweizer Patientinnen und Patienten Ihrer Erfahrung nach am stärksten von einer engen Zusammenarbeit mit der EU? Haben Sie konkrete Beispiele aus dem Alltag? 

Patientinnen und Patienten in der Schweiz profitieren in jeder Beziehung von einer engen Zusammenarbeit mit der EU. Am unmittelbarsten zeigt sich das bei den medizinischen Dienstleistungen, welche ausländische Fachkräfte in der Schweiz erbringen. In den letzten zehn Jahren kamen über 70% unserer neuen Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland – die meisten davon aus EU-Ländern, insbesondere aus Deutschland. Auch ein wesentlicher Teil der Pflegefachpersonen stammen aus dem Ausland, vor allem aus Frankreich. 

"In den letzten zehn Jahren kamen über 70% unserer neuen Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland."

Um Patientinnen und Patienten fachgerecht betreuen zu können, sind unsere Ärztinnen und Ärzte auf Medikamente und Medizinalprodukte angewiesen – sowohl deren Rohstoffe als auch viele Fertigprodukte werden aus dem Ausland importiert. Auch in diesem Bereich ist die EU unsere zuverlässigste und wichtigste Partnerin. 

Wie wichtig ist der freie Personenverkehr für die Deckung des Fachärztemangels in der Schweiz? Was würde ein Wegfall dieser Regelung für unsere Spitäler und Praxen bedeuten? 

Der freie Personenverkehr ist existenziell für unser Gesundheitswesen. Unsere Branche ist stark auf Fachkräfte aus Nachbarländern angewiesen. Daher muss dieser Zugang möglichst unkompliziert und vor allem auch zuverlässig gesichert sein. Das ist nur mit dem freien Personenverkehr möglich. 

Bei einem Wegfall der Personenfreizügigkeit müssten unsere Praxen und Spitäler in aufwändigen, individualisierten Verfahren nachweisen, dass sie in der Schweiz keine geeignete Arbeitskraft finden. Das würde die ohnehin finanzielle Lage vieler Spitäler und auch Praxen zusätzlich verschärfen. Patientinnen und Patienten wären mit sehr langen Wartezeiten konfrontiert – wenn sie überhaupt noch eine Ärztin oder einen Arzt oder fänden.

"Bei einem Wegfall der Personenfreizügigkeit müssten unsere Praxen und Spitäler in aufwändigen, individualisierten Verfahren nachweisen, dass sie in der Schweiz keine geeignete Arbeitskraft finden."

Es ist an der Zeit, zusammen für eine faire Zukunft und eine nachhaltige Europapolitik einzustehen. Denn sie bietet uns Frauen so viele Möglichkeiten! Je mehr Frauen, desto lauter sind wir!  

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